DEUTZ-CEO über 2024: Erfolge, Herausforderungen und Ausblick

Weiterentwicklung der Strategie, Kostenmaßnahmen und ein 160. Geburtstag: DEUTZ-CEO Dr. Sebastian C. Schulte über ein herausforderndes, aber auch erfolgreiches Jahr, in dem das Unternehmen wichtige Weichen gestellt hat.

Wie schauen Sie auf das zurückliegende Jahr 2024?
Dr. Sebastian C. Schulte:
Das zurückliegende Jahr war für DEUTZ ziemlich herausfordernd und intensiv, insbesondere aufgrund der schwierigen Marktlage. Unterm Strich waren wir aber erfolgreich. Wir haben mit etwas mehr als 140.000 Motoren deutlich weniger verkauft als im Vorjahr, in dem wir 187.000 Motoren absetzen konnten. Die Zahl der Motoren allein sagt zwar aufgrund unserer starken Diversifizierung
immer weniger über unsere Ergebnisqualität aus, dieser Rückgang hatte dennoch Auswirkungen auf alle Aspekte der Wertschöpfungskette – von der Beschaffung über die Lieferkette bis hin zur Produktion und Montage. Wir mussten die Kapazitäten anpassen. Das haben die Teams super hinbekommen. Gleichzeitig sind wir neue Wege gegangen, haben neue Märkte erschlossen und sind bei der Umsetzung unserer „Dual+“-Strategie noch einmal entscheidend vorangekommen.

Was macht Sie besonders stolz, wenn Sie an das vergangene Jahr denken?
Dr. Sebastian C. Schulte: Da gibt es viele Gründe. Von einzelnen Begegnungen mit Kunden, Partnern, Investoren oder Mitarbeitern bis hin zu unserem 160-jährigen Jubiläum. Das Wichtigste ist aber, dass wir 2024 als Organisation gelernt haben, wie wir uns konsequent auf Wachstum ausrichten und das gleichzeitig mit einem deutlich stärkeren Fokus auf unsere Kostenbasis zusammenbringen. Natürlich lernen wir hier jeden Tag weiter dazu, aber gerade das war entscheidend im letzten Jahr.

Dieses Zusammenbringen müssen Sie erklären. Fangen wir mit Wachstum und Strategie an. Sie haben im Herbst 2024 mit einem Strategieupdate „Dual+“ weiterentwickelt. Warum?
Dr. Sebastian C. Schulte:
Um die Bedürfnisse unserer Kunden und die Nachfrage auf den für uns maßgeblichen Märkten noch besser bedienen zu können. Darauf richten wir alles aus, was wir tun. Das ist entscheidend: Wir wollen Produkte anbieten, die nachgefragt werden, und zwar auch in der Zukunft.
Gleichzeitig möchten wir uns unabhängiger von den sehr zyklischen Märkten machen, in denen wir seit langer Zeit zu Hause sind. Kern unserer strategischen Weiterentwicklung ist deshalb eine breitere – neudeutsch resilientere – Aufstellung von DEUTZ. Wir werden uns noch viel stärker als Lösungsanbieter
positionieren. Und zwar überall dort, wo wir mit unserer Erfahrung und unserem Know-how einen Vorsprung haben oder einen solchen aufbauen können.

»Wir werden uns noch viel stärker als Lösungsanbieter positionieren.«

DR. SEBASTIAN C. SCHULTE
Vorstandsvorsitzender Zentrale und technische Funktionen, Nachhaltigkeit

Sie sprechen das neu geschaffene Segment Solutions an …
Dr. Sebastian C. Schulte:
Genau. Teil von Solutions ist aktuell unser Geschäft mit alternativen Antrieben – bisher Green, seit Jahresbeginn DEUTZ New Technology. Hier wollen wir unser Angebot noch stärker am Markt ausrichten und uns auf E-Produkte und Wasserstoffverbrennungsmotoren konzentrieren.
Dazu benötigen wir als deutsches Industrieunternehmen entsprechende Rahmenbedingungen auf nationaler und europäischer Ebene wie eine Strategie für die Versorgung mit Wasserstoff. Gleichzeitig haben wir auch ein schwieriges Kapitel abgeschlossen, indem wir Torqeedo an Yamaha Motors verkauft haben, das dem Torqeedo-Team ein viel besseres Zuhause bietet, als wir es je gekonnt hätten.

Der mit dem Erwerb von Blue Star Power Systems geschaffene Bereich Energy gehört ebenfalls in das Segment und soll dort bis 2030 auf über 500 Mio. € Umsatz anwachsen. Was versprechen Sie sich von dem Schritt?
Dr. Sebastian C. Schulte: Das ist ein gutes Beispiel für eine breitere Aufstellung: Wir sind in einen Markt eingestiegen, der für uns neu, aber nicht gänzlich fremd ist. Immerhin ist der Motor ein zentrales Element in einem Stromgenerator, und wir produzieren schon seit Langem Motoren, die in GenSets eingesetzt
werden. Wir haben uns mit der Übernahme eines führenden Stromgeneratoren-Herstellers in den USA entlang uns bekannter Wertschöpfungsketten bewegt und einen stark wachsenden und weniger schwankungsanfälligen Markt erschlossen. Damit zahlen wir voll auf unsere strategischen Ziele ein.


Was macht Sie hier so zuversichtlich?
Dr. Sebastian C. Schulte:
Die weltweite Stromnachfrage wird sich bis 2050 verdoppeln, während der Ausbau der Netze nicht in gleichem Tempo erfolgt, auch und gerade in vielen hochentwickelten Industrieländern. Hinzu kommt ein stark wachsender Anteil von erneuerbaren Energien am Strommix. Die Folge ist eine Diskrepanz zwischen Nachfrage und Netzkapazität. Dies führt zu Instabilitäten, die nicht nur Haushalte, sondern auch systemkritische Bereiche wie Serverfarmen oder Krankenhäuser betreffen. Extremwetter-Faktoren wie Stürme oder Erdbeben verstärken das Problem. Dieses Phänomen betrifft nicht etwa nur Entwicklungsländer, sondern zunehmend hochentwickelte Länder, besonders die USA. Die Lösung besteht aus einer stärker dezentral ausgerichteten Energieversorgung und aus Microgrids. Diese reduzieren Schwankungen und Ausfälle durch eine smarte und lokale Verknüpfung von Verbrauch, Speicherung und Produktion. In beiden Fällen kommt Stromgeneratoren eine Schlüsselrolle
zu. Darauf setzen wir.


»In Summe streben wir eine Umsatzentwicklung auf rund 4 Mrd. € bis 2030 an. Das entspricht einer Verdopplung des Unternehmens«

Gleichzeitig setzen Sie weiterhin auf das Geschäft mit klassischen Verbrennungsmotoren. Wie blicken Sie auf dieses Segment?
Dr. Sebastian C. Schulte:
Im Geschäft mit klassischen Verbrennungsmotoren (Classic) erwarten wir, dass sich die Marktkonsolidierung fortsetzt und vor allem Anwendungsbereiche jenseits der Straße umfassen wird, die weiterhin auf Verbrennungstechnologie angewiesen sind. Hier werden wir weiterhin eine aktive Rolle einnehmen, um DEUTZ kostengünstiger aufzustellen und wachsende Märkte zu erschließen. Im vergangenen Jahr haben wir gezeigt, was wir unter einer aktiven Rolle verstehen.


Sie meinen die Übernahme der Daimler-Truck-Motoren von Rolls-Royce Power Systems?
Dr. Sebastian C. Schulte:
Unter anderem. Damit sind wir einen weiteren wichtigen Schritt innerhalb unserer Konsolidierungsstrategie gegangen: Wir haben Zugang zu wichtigen Kunden erhalten, die wir bisher nicht bedient haben, und sind in größeren Leistungsbereichen jetzt stärker positioniert. Gleichzeitig haben wir 50 % von HJS Emission Technology übernommen, einem Weltmarktführer in der Abgasnachbehandlung. Damit sichern wir unsere Lieferkette für kritische Komponenten bei Verbrennungsmotoren ab und erhalten wichtiges Know-how am Industriestandort Deutschland. Diese Technologie ist noch lange nicht museumsreif. Zudem haben wir damit begonnen, unsere Produktion noch stärker zu flexibilisieren, um möglichst agil auf Marktveränderungen reagieren zu können. Die vergangenes Jahr geschlossene Kooperation mit dem indischen TAFE-Konzern ist dafür ein enorm wichtiger Schritt gewesen.

Auch das Servicegeschäft ist weiterhin ein Kern der weiterentwickelten „Dual+“-Strategie. Was ist hier das Ziel?
Dr. Sebastian C. Schulte:
Das bereits stark gewachsene Servicegeschäft werden wir weiter ausbauen und den Umsatz bis 2030 auf 1 Mrd. € erhöhen. Dies machen wir durch gezielte Zukäufe in bisher nicht ausreichend erschlossenen Regionen und durch eine bessere Nutzung des vorhandenen Serviceangebots.
Dazu zählen die Erweiterung der Standorte und die Expansion in neue Geschäftsmodelle, wie smarte und digitalisierte Serviceangebote.


Solutions mit DEUTZ New Technology, Classic und das Servicegeschäft. Wo will DEUTZ hin, wenn man alle zusammenrechnet?
Dr. Sebastian C. Schulte:
In Summe streben wir eine Umsatzentwicklung auf rund 4 Mrd. € bis 2030 an. Das entspricht einer Verdopplung des Unternehmens. Natürlich wird das von uns allen einiges abverlangen: Mut, in neue Geschäftsbereiche vorzudringen, ohne unsere Stärken aufzugeben. Klare Strukturen und schnelle Entscheidungen, um Dinge umzusetzen. Auch daran arbeiten wir: Im Jahr 2024 haben wir mehr als 25 Workshops an 60 Standorten durchgeführt und dabei über 2.500 Mitarbeiter persönlich erreicht, um über unsere „Dual+“-Strategie zu sprechen: was sie für unsere Mitarbeiter bedeutet und wie sie in ihren Rollen zum Erreichen unsere Ziele beitragen können.


Sie haben zu Beginn von einer Gleichzeitigkeit gesprochen. Auf der einen Seite wollen Sie deutlich wachsen, auf der anderen Seite senkt DEUTZ die Kosten. Widerspricht sich das nicht?
Dr. Sebastian C. Schulte:
Vielleicht mag es auf den ersten Blick verwundern, aber beides ist richtig, und wir müssen lernen, beides zu tun. Zum einen mit Blick auf die schwierige wirtschaftliche Situation. Hier haben wir 2024 mit verschiedenen kurzfristigen Maßnahmen reagiert, auch mit Kurzarbeit. Zum anderen haben wir uns Ende vergangenen Jahres auch auf den Weg gemacht, 50 Mio. € pro Jahr nachhaltig einzusparen.
Ohne dass wir unsere Innovationskraft einschränken, aber so, dass wir auf strukturelle Verschiebungen reagieren.

Was heißt das konkret?
Dr. Sebastian C. Schulte:
Wir müssen da ehrlich zu uns selbst sein. Vor allem, wenn es um den klassischen Verbrennungsmotor geht. Da stehen aktuell nicht annähernd so viele große Entwicklungsaufgaben wie in der Vergangenheit an, weil die neuen Emissionsstufen noch jahrelang auf sich warten lassen. Daher werden wir uns in dem Bereich von circa 200 Mitarbeitern trennen müssen. Dazu haben wir mit dem Betriebsrat und der IG Metall gute, sozialverträgliche Lösungen gefunden, die derzeit umgesetzt werden.


Eine letzte Frage: Neben Kostenprogramm und Wachstumsstrategie ist DEUTZ im zurückliegenden Jahr 160 Jahre alt geworden. Wie sind Sie damit umgegangen?
Dr. Sebastian C. Schulte:
Gemeinsam mit 3.500 DEUTZ-Mitarbeitern haben wir im September auf unserem alten Gelände mit einem eigenen Festival gefeiert. In einer Zeit, in der auch für uns bei DEUTZ einiges herausfordernd war, haben wir ein Erlebnis für uns alle geschaffen, das Mitarbeiter aus aller Welt
zusammenbrachte. Zum allerersten Mal. Der Wert dieses Tages für uns als Unternehmen ist nicht zu unterschätzen. Auch wenn dieser Effekt nicht immer direkt messbar ist, schon gar nicht in Euro oder Dollar. Das Feedback, das wir erhalten haben, hat das eindrücklich bestätigt. Zudem haben wir im Mai Politik und Kunden eingeladen: im Rahmen unseres Festakts mit der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und dem Ministerpräsidenten von NRW, Hendrik Wüst. Der hat etwas gesagt, das uns allen in Erinnerung bleiben wird: „Deutschland braucht mehr DEUTZ.“ Für uns ein Kompliment, das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber auch Ansporn und Motivation, uns auf unsere Stärken zu besinnen.

DR. SEBASTIAN C. SCHULTE


13. Dezember 1978
geboren in Wiesbaden, Deutschand


2008 – 2013
ThyssenKrupp AG, Düsseldorf/Essen:
2008 – 2011: Projektmanager M&A
2011 – 2013: Abteilungsdirektor Corporate Programs
2013 – 2014: Leiter Beteiligungscontrolling
2014 – 2017
ThyssenKrupp Companhia Siderúrgica do Atlântico/
Ternium Brasil, Rio de Janeiro (Brazil)
CFO
2018 – 2020
ThyssenKrupp Marine Systems, Hamburg/Kiel
Geschäftsführer und CFO
Januar 2021 – Februar 2022
DEUTZ AG, Köln
Mitglied des Vorstands
CFO
Seit Februar 2022
DEUTZ AG, Köln
Vorsitzender des Vorstands